Portal 31 - page 4

4
In Asiens Schwellen- und Entwicklungsländern ist modernen Weltmarktfabriken
die Ausbeutung der Beschäftigten auf den ersten Blick nicht unbedingt anzusehen.
Doch ungesetzlich lange Arbeitszeiten, Niedriglöhne, monotone Tätigkeiten, militä-
rischer Umgangston und weitgehende Rechtlosigkeit prägen dort den Alltag vieler
Beschäftigter.
INDUSTRIE
ARBEITSBEDINGUNGEN IN ENTWICKLUNGS- UND
SCHWELLENLÄNDERN
Die Autobahn vom südchinesischen Shenzhen in die drei
Stunden entfernte Provinzhauptstadt Guangzhou führt an
zahllosen Industriegebieten vorbei. Ein Fabrikgebäude
reiht sich an das nächste. Viele tragen keinen sichtbaren
Namen. Hier exportieren anonyme Produktionsstätten
in einfachen Zweckbauten für den Weltmarkt. Die
Endverbraucher sind tausende Kilometer entfernt. Sie ach-
ten nur auf den Preis und interessieren sich nicht für die
Hersteller mit ohnehin schwer aussprechbaren Namen.
Dort produzieren Millionen Wanderarbeiter Spielzeug,
Schuhe, Taschen, Textilien und Elektronik.
Zulieferer in der Kritik
Das Perlflussdelta in Chinas Südprovinz Guangdong
wird „Werkbank der Welt“ genannt. Menschen aus den
Inlandsprovinzen ziehen dorthin, weil ihnen dort die Chance
auf sozialen Aufstieg versprochen wird. Doch viele Fabriken
sind sogenannte „Sweatshops“ – Ausbeuterbetriebe. Nur
gelegentlich ist eine Fabrik als Produktionsstätte einer
internationalen Marke zu erkennen. Deren Logo prangt
dann stolz auf einem meist repräsentativeren Gebäude
moderner Industriearchitektur. Manche Fabriken haben sich
sogar einen eigenen Namen als Zulieferer gemacht oder
treten als eigenständige Produzenten für Weltkonzerne auf.
Foxconn aus Taiwan wurde so zum weltgrößten Elektronik­
produzenten. Er ist Hauptlieferant für Apple, produziert aber
auch für dessen Konkurrenz. In China beschäftigt Foxconn
eine Million Menschen in hochmodernen Fabriken, die
auf den ersten Blick nicht nach Sweatshops aussehen.
Doch 2010 sorgte eine Suizidwelle unter chinesischen
Foxconn-Arbeitern für Schlagzeilen. Das gab Hinweise auf
die wahren Zustände in den Fabriken. Denn die Suizidwelle
wurde begünstigt durch extrem lange Arbeitszeiten mit
Zwangsüberstunden, monotone Tätigkeiten, militärisches
Kommando, Schikanen, Isolation und Perspektivlosigkeit der
jungen Beschäftigten. Ein Apple-interner Bericht hatte schon
2006 festgestellt, dass ein Viertel der Foxconn-Beschäftigten
keinen freien Tag in der Woche hatte. Bei 35 Prozent betrug
die Wochenarbeitszeit mehr als 60 Stunden, obwohl gesetz-
lich nur 54 Stunden erlaubt sind. Fehlende freie Tage und
exzessive Überstunden verstoßen zudem gegen Apples
eigene Regeln. Apple beklagte im Februar 2011 selbst
Kinderarbeit und Schuldknechtschaft. Vermittler hatten
Provisionen von künftigen Beschäftigten verlangt, die ihre
Jobs dann verschuldet begannen. Apple musste auch ein-
räumen, dass Beschäftigte beim Reinigen von Touchscreens
vergiftet wurden. Da dies immer noch der Fall ist, startete
die amerikanisch-chinesische Arbeitsrechtsorganisation
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...44
Powered by FlippingBook