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Foto: Miniatur Wunderland

Auch irgendwie Architektur: Das Miniatur Wunderland in Hamburg.

ZUM THEMA: KULTUR

Unterhaltungsangeboten und Veranstaltungsprogramm.

Wie bei den Bildungstempeln geht der Trend auch bei

Konzerthäusern zur Multifunktionalität. Die Häuser werden

zu sozialen Treffpunkten mit Aufenthaltsqualitäten auch für

Nutzer ohne Konzertkarte. Für den informellen Besucher ist

die architektonische Attraktion von Bedeutung. Ein eindrucks-

volles Beispiel ist das Musik- und Veranstaltungszentrum

CKK Jordanki im polnischen Torun. Der spanische Architekt

Fernando Menis hat es als backsteinerne Höhlenarchitektur in

expressiven Formen gestaltet. Ebenfalls in kristallinen Formen,

aber gläsern-silbern blinkend, die Casa da Música von Rem

Koolhaas, die in Porto wie ein überdimensionierter Diamant an

prominenter Stelle am Jardim da Rotunda da Boavista thront.

Kultur von unten

Dass zahlreiche Industrieanlagen das Zeug zum Kulturdenkmal

haben, weil sie architektonische Qualitäten besitzen, lange Zeit

das Bild der Städte geprägt haben und/oder die letzten Zeugen

vergangener Epochen, etwa der Schwerindustrie oder des

Bergbaus, sind, ist unstrittig, wenn auch erst seit einem halben

Jahrhundert. Dass es bei vielen schlichtweg zu teuer wäre,

sie in irgendeiner Form zu erhalten und einer neuen Nutzung

zuzuführen, ebenfalls. Dann werden die Industrie-Dinosaurier

abgeräumt und die Werksgelände anderweitig verwertet.

Doch hin und wieder gelingt es, passende Nutzungen zu

finden und den teuren Umbau zu stemmen. Dann entstehen

oft Ensembles von hohem architektonischem Reiz und mit

ganz eigenem Fluidum, was sie für kulturelle Nutzung prä-

destiniert. Und es war die „Kultur von unten“, die sich der

Industriebauten zuerst angenommen hat. Es war auch die

Zeit, als sich der Kulturbegriff erweiterte und man neben der

„Hochkultur“ der Staatstheater, Konzerthallen sowie Kunst-

und Geschichtsmuseen begann, von Alltagskultur, Popkultur,

Fußballkultur, Off-Theater und anderem zu sprechen. Die

„Fabrik“ in Hamburg-Altona ist ein frühes Beispiel für die

Adaption eines Industriedenkmals durch die Jugendkultur.

1971 in einer ehemaligen Munitionsfabrik gegründet, ist sie ein

erfolgreiches und inzwischen schon legendäres alternatives

Zentrum für allerlei informelle Aktivitäten bis heute.

1977 war die dreischiffige hölzerne „Basilika“ mit back-

steinernen Umfassungsmauern ausgebrannt. Zwei Jahre

später unter der Leitung von Volkwin Marg mit viel kollekti-

vem Engagement wieder aufgebaut, lebt der Mythos Fabrik

weiter, als Ort der Stadtteilkultur, der es in die internatio-

nalen Reiseführer geschafft hat. In Dresden gelang jüngst

die Konversion eines alten Heizkraftwerks mit Standort

unmittelbar am Rand der Innenstadt. Das beeindruckende

Ensemble des Kraftwerks Mitte mit dem mächtigen, von

vier hohen Schloten gekrönten Kesselhaus aus der Zeit der

„Energiekathedralen“ hatte den Bombenkrieg erstaunlicher-

weise leidlich unversehrt überstanden. Nachdem der Betrieb

1994 eingestellt worden war, fand sich für das gewaltige

Kesselhaus weder eine neue Nutzung noch ein Investor.

Dresden ist nicht London (Battersea Power Station, Tate

Modern), auch nicht Cottbus (Kunstmuseum Dieselkraftwerk),

und so wurde das denkmalgeschützte Kesselhaus, das

„Schlachtschiff der Moderne“, 2006 abgerissen.

Vereinsarbeit, Industriekultur und Kommerz

Doch die anderen Gebäude blieben bestehen, und Architekt

Jörg Friedrich machte sich daran, das Industrieensemble um

einen Neubau zu ergänzen, der mit seiner Außenhaut aus

rostendem Cortenstahl von urtümlich schwerindustrieller

Anmutung den Genius Loci fortschreibt. „Kulturkraftwerk“

nennt sich das Ensemble heute, das die Staatsoperette, das

Theater Junge Generation und ein Puppentheater zusammen-

fasst. Gemeinsames Foyer ist die ehemalige Maschinenhalle

mit ihren schrundigen Wänden und Stahlträgern, mit den

verblassten Inschriften und der alten Werksuhr. Hochkultur im

aufwendig sanierten und umgebauten Industriedenkmal, das

ist allerdings nicht die Regel, eher die Ausnahme. Landauf,

landab finden sich Objekte, für die sich keine Kulturinstitution

als neuer Inhalt findet und die deshalb für vielfältigste

Nutzungen ertüchtigt wurden, oft mit minimiertem Aufwand.

Die „Wagenhallen“ am Güterbahnhof in Stuttgart sind Heimat

eines Kunstvereins und vieler Kunstschaffender von Malerei

über Musik bis Theater, Performance, Architektur und

Design sowie ein Ort unterschiedlichster Veranstaltungen