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Foto: lisegagne / iStock

Medien verändern den Unterricht – gilt das auch für den Klassenraum?

ZUM THEMA: KINDER

der Schulgemeinschaft formulieren und mit einbringen. So

entstehen Schulen, die zwar auf herkömmliche Art nach

Klassen- und Fachräumen gegliedert, aber anders als in der

Vergangenheit stärker in dezentralen Raumgruppen organi-

siert sind. Denen werden dann dezentrale Aufenthaltsräume

für die Schüler und dezentrale Teamstationen für die Lehrer

zugeordnet. Oder es entwickeln sich Schulen, die das Prinzip

der Klassenräume bereits in räumlich ausdifferenzierte

Lernlandschaften transformieren, in denen das Lernen und

Unterrichten an unterschiedlichsten Orten und in unterschied-

lichsten Lernformen stattfindet. Beides – und alle möglichen

Zwischenformen – gibt es heute; insofern ist das Bauen von

Schulen (oder auch Kindertagesstätten) eine sehr abwechs-

lungsreiche und sehr individuelle Bauaufgabe, zumal in vielen

Fällen nicht der klassische Neubau, sondern Umbauten und

Erweiterungen die Regel sind.

Digitalisierung

Mit der fortschreitenden Digitalisierung entstehen zudem

ganz neue Möglichkeiten, Lernen und Unterrichten zu

organisieren: Beim Modell des „umgedrehten Unterrichts“

(flipped classroom) können zum Beispiel die klassischen

Instruktionsphasen im Unterricht durch vorbereitete

Videocasts der Lehrer ersetzt werden, die von den Schülern

zuhause oder an anderen beliebigen Orten innerhalb und

außerhalb der Schule angesehen werden können – und zwar

je nach Bedarf beliebig oft. Im Unterricht in der Schule findet

dann das gemeinsame Üben statt, und die Lehrer können

diese Zeit für die individuelle Beratung und Unterstützung der

Schüler beim Bearbeiten der Übungsaufgaben nutzen.

Beste Orte

Kinder und Jugendliche haben häufig sehr klare Vorstellungen

davon, wie ihre Schule beziehungsweise bestimmte Bereiche

in der Schule organisiert und gestaltet sein sollten. Zwar

reproduzieren auch Kinder und Jugendliche ähnlich wie

Erwachsene herkömmliche Raumkategorien (Klassenzimmer,

Cafeteria, Turnhalle ...) und Raumatmosphären (hell, freund-

lich, gemütlich ...), aber es fällt ihnen vielfach leichter, sich

davon ein Stück weit zu lösen und räumliche Eindrücke auf

andere Art miteinander zu kombinieren, sodass sich neue

Vorstellungen über die räumlichen und funktionalen Qualitäten

von Lernumgebungen entwickeln. Ein Beispiel aus der Praxis:

Bei der Neukonzeption einer Grundschule im Ruhrgebiet plä-

dierten die Lehrer und Erzieher zunächst für möglichst klare

funktionale Zuordnungen – hier die Lernorte (Klassenzimmer

und Differenzierungsräume), dort die Räume für Aufenthalt,

Entspannung, Betreuung – und entwickelten eine entspre-

chende Vorstellung zur Gliederung der Schule. Die Schüler

hingegen wünschten sich eher Räume, in denen sowohl

Lernen als auch Erholen und Entspannen stattfinden können.

Wenn Schüler sich die für sie individuell „besten“ Orte zum

Lernen in der Schule aussuchen, dann sind sie häufig über

die gesamte Schule und das Außengelände verteilt: Mal

ist es die Fensterbank am Ende des Flurs, mal das Sofa im

Gruppenraum, die kleine Wiese neben der Turnhalle oder der

Fußboden vor dem Bücherregal in der kleinen Schulbibliothek.

Heterogene Präferenzen

Die Präferenzen der Schüler sind demnach sehr hetero-

gen, und sie beschränken sich nicht auf die klassischen

Lernräume einer Schule. Manche Kinder lernen am liebsten

in großen, andere in kleinen Gruppen. Die einen bevorzu-

gen den Austausch mit Freunden, die anderen suchen eher

geschützte Rückzugsorte, an denen sie sich alleine ins

Lernen vertiefen können. Zeitgemäße Schulen, die auf diese

Vielfältigkeit von Lernwegen und -bedürfnissen ihrer Schüler

Rücksicht nehmen und ihnen gute Lernbedingungen bieten

möchten, sollten daher wesentlich offener und flexibler

organisiert sein als die herkömmliche, nach Klassen- und

Fachräumen gegliederte Halbtagsschule der Vergangenheit.

Bei der Neukonzeption der oben genannten Grundschule

sind solche Präferenzen der Schüler nun in das Nutzungs-

und Raumkonzept eingeflossen: Lernen und Erholen sind

stärker räumlich miteinander verknüpft. Es entstehen

multioptionale Raumgruppen, die den Schülern sowohl im

Nahbereich ihres Jahrgangsclusters als auch mit Blick auf

das gesamte Schulareal vielfältige Möglichkeiten bieten